Yamaha MT-09 (2025) im Test: Der Hyper-Naked-Rebell?

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Geschrieben von Mathias Kalb

Zurzeit besitze ich zwei Motorräder: einen Honda ADV-Roller für den Alltag und eine Kawasaki Ninja 1000 zum Beschleunigen am Wochenende.

Die Yamaha MT-09 war schon immer ein Rebell. Mit ihrem drehmomentstarken Dreizylinder-Motor und dem aggressiven Handling hat sie die Naked-Bike-Klasse neu definiert. Für das Modelljahr 2025 hat Yamaha diesen rebellischen Charakter nicht gezähmt, sondern auf die Spitze getrieben. Eine radikal neue, aktivere Ergonomie, ein geschärftes Design und ein weiter verfeinertes Elektronikpaket sollen sie vom verspielten Rabauken zum präzisen Hyper-Naked-Raubtier transformieren. Hat Yamaha den Bogen überspannt, oder ist das die beste MT-09 aller Zeiten?

Das Herzstück: Die Evolution des CP3-Motors

Der 890-Kubik-„Crossplane“-Dreizylinder bleibt das emotionale Zentrum der MT-09. Mit 119 PS und 93 Nm Drehmoment sind die Leistungsdaten unverändert, aber die Abstimmung wurde verfeinert. Der CP3-Motor ist berühmt für seine einzigartige Charakteristik: Er kombiniert den druckvollen Punch eines Zweizylinders im unteren und mittleren Drehzahlbereich mit der gierigen Drehfreude eines Vierzylinders oben heraus. Das Ergebnis ist eine explosive, aber lineare Leistungsentfaltung, begleitet von einem süchtig machenden, heiseren Ansaugsound, der durch die neuen „Acoustic Amplifier Grilles“ am Tank noch präsenter ist. Dies ist kein sanfter Alltags-Antrieb; es ist ein emotionales, charakterstarkes Kraftpaket, das permanent zum Spielen auffordert.

Tipp von Mathias Kalb: Nehmen Sie sich Zeit, die neuen „Yamaha Ride Control“ (YRC) Einstellungen im 5-Zoll-TFT-Display zu erkunden. Erstellen Sie sich einen individuellen „CUSTOM“-Modus. Meine Empfehlung für die engagierte Landstraßenfahrt: Motorcharakteristik (PWR) auf Stufe 2 (etwas sanfter als die aggressivste Stufe 1), Traktionskontrolle (TCS) auf Stufe 1 und Slide Control (SCS) ebenfalls auf Stufe 1. Das bietet maximalen Fahrspaß mit einem dezenten Sicherheitsnetz.

Technische Daten der Yamaha MT-09 / SP (2025)

Merkmal
MT-09
MT-09 SP
Motor
Flüssigkeitsgekühlter 3-Zylinder-Reihenmotor, DOHC, CP3
(identisch)
Leistung
87,5 kW (119 PS) bei 10.000 U/min
(identisch)
Drehmoment
93 Nm bei 7.000 U/min
(identisch)
Sitzhöhe
825 mm
825 mm
Gewicht (fahrfertig)
193 kg
194 kg
Fahrwerk vorne
41 mm KYB Upside-Down-Gabel, voll einstellbar
KYB Gabel mit DLC-Beschichtung
Fahrwerk hinten
KYB Monofederbein, einstellbar
Öhlins STX Federbein, voll einstellbar
Bremsen vorne
298-mm-Scheiben, radiale Sättel
Brembo Stylema® Monoblock-Sättel
Preis (Deutschland)
ab 10.899 €
ab 12.999 €

Fahrverhalten: Vom verspielten Stuntbike zum Präzisions-Tool?

Ja, und das ist die größte Veränderung. Die neue Ergonomie ist deutlich aggressiver. Der Lenker ist tiefer, die Fußrasten sind höher und weiter hinten positioniert. Dies zwingt den Fahrer in eine aktivere, vorderradorientierte Haltung. Das Ergebnis ist eine signifikant verbesserte Rückmeldung vom Vorderrad und eine höhere Präzision in Kurven. Die MT-09 ist kein weichgespültes Alltagsbike mehr; sie ist ein scharfes Skalpell, das exakten Input verlangt und mit einem unglaublich agilen, fast schon telepathischen Handling belohnt.

Die SP-Version: Das ultimative Upgrade?

Für den performance-orientierten Fahrer: zweifellos. Die SP-Version hebt das ohnehin schon exzellente Fahrwerk auf ein neues Level. Die hochwertigeren KYB- und Öhlins-Komponenten bieten ein noch feineres Ansprechverhalten und mehr Reserven für die Rennstrecke. Die entscheidende Aufwertung sind jedoch die Brembo-Stylema-Bremssättel. Sie bieten eine Bremsperformance auf Superbike-Niveau – bissiger, besser dosierbar und absolut fadingresistent. Die SP ist nicht nur ein optisches, sondern ein klares fahrdynamisches Statement.

Elektronik und Design: Die „Dark Side“ wird noch dunkler

Das Design ist noch kantiger und minimalistischer geworden. Die neue LED-Frontmaske wirkt wie aus einem Science-Fiction-Film. Das Elektronikpaket ist dank der 6-Achsen-IMU State-of-the-Art und umfasst nun auch eine „Back Slip Regulator“ (BSR) Funktion, die das Rutschen des Hinterrads bei starkem Bremsen und wenig Grip kontrolliert.

Der Ingenieur-Kompromiss: Radikalität vs. Komfort

Die bewusste Entscheidung für eine radikalere, sportlichere Ergonomie ist der zentrale Kompromiss des neuen Modells. Wer sich für das messerscharfe Handling und das verbesserte Vorderrad-Gefühl entscheidet, opfert das entspannte, aufrechte „Supermoto-Feeling“ der Vorgängergeneration. Die neue MT-09 ist auf kürzeren Strecken und bei sportlicher Fahrweise überlegen, auf langen Touren aber anstrengender und weniger komfortabel.

Der „Preis eines Fehlers“: Falsche Erwartungen an die Ergonomie

Der größte Fehler wäre es, die neue MT-09 zu kaufen, weil man die alte mochte, ohne die neue Ergonomie Probe zu fahren.

  • Problem: Ein Fahrer, der den entspannten Charakter der alten MT-09 liebte, kauft das neue Modell blind.
  • Lösung: Eine ausgiebige Probefahrt, um die neue, sportlichere Sitzposition zu „erfahren“.
  • Ergebnis (bei Nichtbeachtung): Der Fahrer wird von der aggressiveren Haltung überrascht und empfindet sie als unbequem. Die „Kosten“ sind hier die Enttäuschung über ein Motorrad, das nicht mehr zu den eigenen Komfort-Ansprüchen passt. Man hat einen Sprinter gekauft, obwohl man einen Marathonläufer wollte.

Der Vergleich im Hyper-Naked-Revier

Die MT-09 kämpft in der absoluten Spitzenklasse der Mittelgewichts-Nakeds.

Modell
Motor
Charakter
Stärken
Schwächen
Yamaha MT-09 SP
3-Zylinder-Reihe
Der präzise Rebell
Emotionaler CP3-Motor, Top-Elektronik, agil, Bremsen
Radikale Ergonomie, weniger Komfort
KTM 890 Duke R
2-Zylinder-Reihe
Das Skalpell
Extrem leicht, ultra-präzise, Rennstrecken-Fokus
Weniger Alltagskomfort, V2-Vibrationen
Triumph Street Triple RS
3-Zylinder-Reihe
Der kultivierte Athlet
Seidenweicher Motor, Referenz-Fahrwerk, Qualität
Weniger „wild“, höherer Preis

Die KTM ist das noch leichtere, kompromisslosere Rennstrecken-Tool. Die Triumph ist die edlere, laufruhigere und vielleicht „erwachsenere“ Wahl. Die Yamaha MT-09 ist der aggressivste, emotionalste und vom Motorcharakter her einzigartigste Rebell in diesem Trio.

Fazit: Für wen ist die neue MT-09 die richtige Wahl?

Die neue Yamaha MT-09 ist das perfekte Motorrad für den erfahrenen, sportlich ambitionierten Fahrer, der ein maximal agiles, emotionales und technologisch fortschrittliches Naked Bike für die Landstraße sucht. Sie ist die ideale Wahl für alle, die ein Motorrad nicht nur als Fortbewegungsmittel, sondern als pures, adrenalingeladenes Spaßgerät sehen.

Sie hat ihre Allround-Fähigkeiten und einen Teil ihres Komforts geopfert, um ein noch schärferes, fokussierteres Fahrerlebnis zu schaffen. Sie ist kein sanfter Alleskönner mehr. Sie ist der „Master of Torque“ – und dieser Meister ist erwachsen geworden und hat das Florett gegen ein Rasiermesser getauscht.

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