Jahrelang stand die Triumph Tiger 1200 im Schatten des übermächtigen Bestsellers aus Bayern. Mit der aktuellen Generation hat Triumph einen radikalen Neuanfang gewagt: leichter, stärker und technologisch fortschrittlicher als je zuvor. Das Herzstück dieser Revolution ist der neue Dreizylinder-Motor mit T-Plane-Kurbelwelle, der das Beste aus zwei Welten verspricht. Gepaart mit einem signifikant reduzierten Gewicht und einer klaren Aufteilung in straßenorientierte GT- und offroad-fokussierte Rally-Modelle, ist dies der bisher ernsthafteste Angriff auf den Thron der Reiseenduros.
Das Herzstück: Was ist das Geheimnis des T-Plane-Motors?
Der 1160-Kubik-Reihendreizylinder bricht mit der Tradition der gleichmäßigen Zündabstände. Die T-Plane-Kurbelwelle sorgt für eine ungleichmäßige Zündfolge (180°-270°-270°), die den Charakter des Motors fundamental verändert.
- Niedrige Drehzahlen: Hier imitiert der Motor den pulsierenden, traktionsstarken Charakter eines V-Twins. Jeder Zündimpuls ist klar spürbar, was im Gelände eine exzellente Rückmeldung und Kontrollierbarkeit des Hinterrads ermöglicht.
- Hohe Drehzahlen: Hier verwandelt sich der Motor zurück in einen typischen Triple und liefert mit 150 PS eine vehemente, drehfreudige Spitzenleistung für die schnelle Hatz auf der Straße.
Dieser Motor ist ein technischer Geniestreich – ein Zweizylinder und ein Dreizylinder in einem, der je nach Drehzahl seinen Charakter wechselt.

Tipp von Mathias Kalb: Die Vibrationen des T-Plane-Motors sind charakterstark, aber spürbarer als bei der Vorgängergeneration. Nehmen Sie sich Zeit für eine ausgiebige Probefahrt, um sicherzustellen, dass diese einzigartige Charakteristik zu Ihrem persönlichen Komfortempfinden auf langen Strecken passt.
Technische Daten der Triumph Tiger 1200 (2025)
Merkmal | GT Explorer | Rally Explorer |
Motor | Flüssigkeitsgekühlter 3-Zylinder-Reihenmotor mit T-Plane | (identisch) |
Leistung | 110,4 kW (150 PS) bei 9.000 U/min | (identisch) |
Drehmoment | 130 Nm bei 7.000 U/min | (identisch) |
Sitzhöhe | 850 / 870 mm | 875 / 895 mm |
Gewicht (fahrfertig) | 255 kg | 261 kg |
Tankinhalt | 30 Liter | 30 Liter |
Federweg (v/h) | 200 mm / 200 mm | 220 mm / 220 mm |
Räder | 19″/18″ Gussräder | 21″/18″ Speichenräder |
Preis (Deutschland) | ab 23.395 € | ab 24.395 € |
Fahrwerk und Handling: Die Diät hat sich gelohnt
Die neue Tiger 1200 ist bis zu 25 kg leichter als ihre Vorgängerin, und das spürt man in jeder Kurve. Sie ist deutlich agiler und handlicher geworden. Das semi-aktive Showa-Fahrwerk passt sich permanent an den Untergrund an und bietet eine exzellente Balance aus Komfort und sportlicher Straffheit.
- GT-Version: Mit ihrer 19/18-Zoll-Radkombination ist sie eine unglaublich souveräne und schnelle Tourenmaschine für die Straße.
- Rally-Version: Mit dem 21-Zoll-Vorderrad und den längeren Federwegen wird sie zu einer ernstzunehmenden Waffe im Gelände, die auch vor anspruchsvollen Passagen nicht zurückschreckt.
Der Ingenieur-Kompromiss: Kardan vs. Kette
Triumph hat sich für einen leichten, wartungsarmen Kardanantrieb entschieden. Wer sich für diesen Komfort und die Sauberkeit entscheidet, opfert das letzte Quäntchen an Feedback und die geringeren ungefederten Massen eines Kettenantriebs. Im Vergleich zu früheren Kardan-Generationen sind die Lastwechselreaktionen minimal, aber ein Unterschied zur Kette ist für sensible Fahrer spürbar. Der Kompromiss ist also klar: Man tauscht ultimative sportliche Präzision gegen absolute Tourentauglichkeit und Wartungsarmut.

Elektronik und Ausstattung: Auf Augenhöhe mit den Besten
Die Ausstattung der Explorer-Modelle ist komplett: semi-aktives Fahrwerk, Toter-Winkel-Radar, Heizgriffe, Sitzheizung, Tempomat und ein großes TFT-Display sind serienmäßig. Die Elektronik mit Kurven-ABS, schräglagenabhängiger Traktionskontrolle und diversen Fahrmodi (inklusive „Offroad Pro“ bei der Rally) ist auf dem neuesten Stand der Technik und lässt sich intuitiv bedienen.
Der „Preis eines Fehlers“: Falsche Fahrwerkseinstellung
Das semi-aktive Fahrwerk ist brillant, aber nur, wenn man es richtig nutzt.
- Problem: Ein Fahrer wählt den Beladungszustand für „Fahrer + Gepäck“, fährt aber solo.
- Lösung: Korrekte Einstellung der Federvorspannung per Knopfdruck vor der Fahrt.
- Ergebnis (bei Nichtbeachtung): Das Fahrwerk ist zu hart vorgespannt. Das Motorrad wird unkomfortabel, „bockig“ und verliert an Grip, da die Federung nicht sensibel genug arbeiten kann. Umgekehrt führt eine zu weiche Einstellung bei voller Beladung zu einem schwammigen Fahrverhalten. Die „Kosten“ sind ein massiver Verlust an Komfort und Sicherheit. Man negiert den Hauptvorteil des teuren elektronischen Fahrwerks durch eine simple Fehleinstellung.
Der Vergleich: Angriff auf den Platzhirsch
Die Tiger 1200 zielt direkt auf die Spitze des Segments.
Modell | Motor | Charakter | Stärken | Schwächen |
Triumph Tiger 1200 Rally | 3-Zylinder-Reihe | Der agile Athlet | Emotionaler T-Plane-Motor, agiles Handling, Gewicht | Spürbare Vibrationen, Sitzhöhe |
BMW R 1300 GS | 2-Zylinder-Boxer | Der Hightech-Alleskönner | Extrem agil, niedriges Gewicht, Drehmoment, Technologie | Polarisierendes Design, Komplexität |
Ducati Multistrada V4 S | V4 | Der Supersport-Tourer | Überlegene Leistung, Top-Komfort, Radar-Technik | Hohes Gewicht, sehr hoher Preis, Offroad limitiert |

Die BMW ist der technologische Maßstab, leichter und im unteren Bereich noch druckvoller. Die Ducati ist die unangefochtene Königin der Leistung auf der Straße. Die Triumph Tiger 1200 positioniert sich als die emotionalste und vom Motorcharakter her vielseitigste Alternative, die eine beeindruckende Balance aus On- und Offroad-Performance bietet.
Fazit: Für wen ist die Tiger 1200 die richtige Wahl?
Die Triumph Tiger 1200 ist das perfekte Motorrad für den erfahrenen Tourenfahrer, der eine charakterstarke, agile und leistungsstarke Alternative zum etablierten Marktführer sucht.
- Die GT Explorer ist die ideale Wahl für den reinen Straßen-Tourer, der maximalen Komfort und Reichweite mit einem sportlichen Motor kombinieren will.
- Die Rally Explorer ist die Antwort für den Abenteurer, der eine Maschine sucht, die auf der Autobahn genauso souverän ist wie auf einem anspruchsvollen Schotterpass in den Pyrenäen.
Mit der radikalen Gewichtsreduktion und dem innovativen T-Plane-Motor hat Triumph die Tiger 1200 von einem Mitbewerber zu einem echten Hauptdarsteller gemacht. Sie ist kein „GS-Killer“, sie ist eine eigenständige, brillante Interpretation des Themas Reiseenduro – und für viele vielleicht die emotionalere Wahl.
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