Auf den ersten Blick ist die Triumph Speed Twin 1200 ein wunderschöner, klassischer Roadster. Klare Linien, ein zeitloser Tank, Speichenräder – eine Hommage an die goldenen Zeiten des britischen Motorradbaus. Doch dieser erste Eindruck täuscht. Unter der eleganten Hülle verbirgt sich die Technik und die Performance eines modernen, potenten Naked Bikes. Sie ist kein gemütlicher Cruiser, sondern ein Wolf im Schafspelz, der den Spagat zwischen stilvollem Auftritt und sportlicher Landstraßen-Hatz meisterhaft beherrscht.
Das Herzstück: Der druckvolle 1200er „High Power“-Twin
Im Zentrum der Speed Twin schlägt die leistungsstärkste Ausbaustufe des 1200-Kubik-Bonneville-Motors. Mit 100 PS und bulligen 112 Nm Drehmoment, die bereits bei 4.250 U/min anliegen, ist der Motor auf druckvollen Schub aus der Mitte ausgelegt. Die 270-Grad-Kurbelwelle verleiht ihm den charakterstarken, pulsierenden Sound eines V-Twins. Dank reduzierter Massenträgheit im Inneren dreht der Motor für die Speed Twin spürbar freier und gieriger hoch als in den reinen Heritage-Modellen. Er ist ein Meisterwerk der Flexibilität: souverän und drehmomentstark für entspanntes Cruisen, aber bissig und leistungsstark, wenn man am Kabel zieht.

Tipp von Mathias Kalb: Die Speed Twin verfügt über drei Fahrmodi. Der „Sport“-Modus ist beeindruckend direkt, aber für die meisten Situationen auf der Landstraße ist der „Road“-Modus die harmonischere Wahl. Er liefert die volle Leistung bei einer etwas sanfteren Gasannahme, was zu einer runderen und flüssigeren Linienwahl führt.
Technische Daten der Triumph Speed Twin 1200 (2025)
Merkmal | Daten |
Motor | Flüssigkeitsgekühlter 2-Zylinder-Reihenmotor, 270° Kurbelwelle |
Hubraum | 1.200 cm³ |
Leistung | 73,6 kW (100 PS) bei 7.250 U/min |
Drehmoment | 112 Nm bei 4.250 U/min |
Sitzhöhe | 809 mm |
Gewicht (fahrfertig) | 216 kg |
Tankinhalt | 14,5 Liter |
Fahrwerk vorne | 43 mm Marzocchi Upside-Down-Gabel |
Fahrwerk hinten | Zwei Stereo-Federbeine mit einstellbarer Vorspannung |
Bremsen vorne | Zwei 320-mm-Scheiben, Brembo M50 Monoblock-Sättel |
Preis (Deutschland) | ab 13.945 € (Stand 2025) |
Fahrwerk und Handling: Mehr als nur ein Schönwetter-Cruiser?
Absolut. Hier unterscheidet sich die Speed Twin fundamental von vielen anderen Retro-Bikes. Sie ist mit hochwertigen, modernen Komponenten ausgestattet, die auf Performance ausgelegt sind. Die 43-mm-Marzocchi-Upside-Down-Gabel und die Brembo M50 Monoblock-Bremssättel vorne stammen direkt aus der Welt der sportlichen Naked Bikes. Das Ergebnis ist ein überraschend agiles und präzises Handling. Die Speed Twin lenkt willig ein, bleibt in Kurven stabil und verzögert auf einem Niveau, das man ihrer klassischen Optik niemals zutrauen würde. Sie ist kein knallharter Supersportler, aber ein extrem kompetenter und Vertrauen erweckender Roadster für die engagierte Kurvenjagd.
Der Ingenieur-Kompromiss: Klassische Linie vs. modernes Fahrwerk
Um die flache, klassische Linie mit den zwei Federbeinen am Heck zu wahren, verzichtet Triumph auf ein modernes Zentralfederbein mit Umlenkung. Wer sich für diese authentische Retro-Ästhetik entscheidet, opfert das letzte Quäntchen an Dämpfungsperformance, das ein modernes System bei sehr sportlicher Fahrweise auf schlechtem Belag bieten könnte. Die Stereo-Federbeine sind hochwertig und gut abgestimmt, können aber rein physikalisch nicht die gleiche progressive Dämpfungscharakteristik einer modernen Hebelumlenkung erreichen. Es ist ein kleiner Kompromiss zugunsten eines großen Stil-Statements.

Design und Qualität: Britische Eleganz in Perfektion
Die Verarbeitungsqualität ist, wie von Triumph gewohnt, auf höchstem Niveau. Details wie die gebürsteten Aluminium-Kotflügel, die eleganten Krümmerführungen und die hochwertigen Lackierungen zeugen von einer enormen Liebe zum Detail. Die Speed Twin wirkt wie aus einem Guss – elegant, muskulös und absolut zeitlos. Sie ist eines der wenigen Motorräder, das im Stand fast genauso viel Freude bereitet wie beim Fahren.
Der „Preis eines Fehlers“: Falsche Reifendruck-Routine
Bei einem performance-orientierten Motorrad wie der Speed Twin ist der korrekte Reifendruck entscheidend für das Fahrverhalten.
- Problem: Ein Fahrer kontrolliert den Luftdruck nur alle paar Wochen an der Tankstelle.
- Lösung: Regelmäßige (wöchentliche) Kontrolle mit einem eigenen, präzisen Luftdruckprüfer am kalten Reifen.
- Ergebnis (bei Nichtbeachtung): Schon geringe Abweichungen (0,2-0,3 Bar) verändern das Handling spürbar. Zu niedriger Druck macht das Einlenkverhalten teigig und unpräzise. Zu hoher Druck reduziert die Aufstandsfläche und damit den Grip. Die „Kosten“ sind hier keine materiellen, sondern ein direkter Verlust an Präzision, Feedback und Sicherheit. Man lässt das Potenzial des hochwertigen Fahrwerks ungenutzt, weil die Basis – der Reifendruck – nicht stimmt.
Der Vergleich: Wo steht der Speed Twin im Retro-Roadster-Segment?
Die Speed Twin konkurriert mit anderen leistungsstarken Retro-Bikes, die unterschiedliche Philosophien verfolgen.
Modell | Motor | Charakter | Stärken | Schwächen |
Triumph Speed Twin 1200 | 2-Zylinder-Reihe | Der elegante Sportler | Druckvoller Motor, Top-Fahrwerk & Bremsen, Stil | Stereo-Federbeine am Limit, Preis |
Kawasaki Z900RS | 4-Zylinder-Reihe | Der kultivierte Klassiker | Seidenweicher Vierzylinder, authentisches Design | Weniger sportlich, einfachere Komponenten |
BMW R nineT | 2-Zylinder-Boxer | Der puristische Roadster | Ikonischer Boxer-Motor, Customizing-Potenzial | Einfacheres Fahrwerk (Standard), hoher Preis |

Die Kawasaki Z900RS ist die Hommage an die japanischen 70er, komfortabler und laufruhiger. Die BMW R nineT ist der puristische Boxer-Roadster mit dem Fokus auf Individualisierung. Die Triumph Speed Twin 1200 ist der unangefochtene Performance-König in diesem Trio – das Motorrad, das seine klassische Hülle am überzeugendsten mit der Dynamik eines modernen Sport-Roadsters füllt.
Fazit: Für wen ist die Speed Twin 1200 der perfekte Partner?
Die Triumph Speed Twin 1200 ist das perfekte Motorrad für den erfahrenen Genießer. Sie ist die ideale Wahl für den Fahrer, der ein stilvolles, zeitloses Motorrad mit einem charakterstarken Motor sucht, aber keinerlei Kompromisse bei der sportlichen Performance von Fahrwerk und Bremsen eingehen will.
Sie ist kein weichgespültes Retro-Bike zum gemütlichen Flanieren. Sie ist ein ernstzunehmender Roadster, der es auf der Landstraße mit reinrassigen Naked Bikes aufnehmen kann und dabei eine unvergleichliche Eleganz ausstrahlt. Sie ist der ultimative Wolf im Schafspelz – und vielleicht der beste Allround-Roadster, den Triumph je gebaut hat.
Fotos








