Honda CB650R (2025): Test & E-Clutch Analyse

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Geschrieben von Mathias Kalb

Zurzeit besitze ich zwei Motorräder: einen Honda ADV-Roller für den Alltag und eine Kawasaki Ninja 1000 zum Beschleunigen am Wochenende.

Die Mittelklasse der Naked Bikes ist ein hart umkämpftes Pflaster. Fast alle Hersteller setzen auf drehmomentstarke, charakterlich oft etwas rustikale Zweizylinder. Und dann gibt es Honda. Mit der CB650R halten die Japaner unbeirrt an der Fahne des Reihenvierzylinders fest – jenem Motorenkonzept, das für seine seidenweiche Laufkultur und die berauschende Drehfreude berühmt ist. Als wäre das nicht schon Alleinstellungsmerkmal genug, haben sie für das aktuelle Modelljahr eine Weltneuheit eingeführt: die optionale E-Clutch. Eine Kupplung, die man nicht mehr betätigen muss, aber immer noch kann. Ist diese Kombination aus klassischer Motorenbaukunst und futuristischer Technologie das perfekte Rezept für den ultimativen Allrounder?

Das Herzstück: Warum der Reihenvierzylinder so besonders ist

Bevor wir zur Magie der E-Clutch kommen, müssen wir über das Juwel sprechen, das sie bedient.

95 PS und die pure Freude an der Drehzahl

Der 649-ccm-Motor der CB650R leistet 95 PS, die aber erst bei 12.000 U/min anliegen. Er ist kein Drehmoment-Bulle, der aus dem Keller schiebt. Er ist ein Athlet, der belohnt, wenn man ihn fordert. Das Fahrerlebnis ist unglaublich linear und berechenbar. Doch jenseits der 8.000 U/min erwacht das Biest: Der Motor dreht mit einer Leichtigkeit und einem Fauchen in den Begrenzer, das Gänsehaut erzeugt.

Laufkultur und Sound: Eine Klasse für sich

Im Vergleich zu den Zweizylindern der Konkurrenz läuft der Vierzylinder fast vibrationsfrei. Diese seidenweiche Kultur macht ihn im Alltag und auf langen Strecken zu einem extrem angenehmen Begleiter. Der Sound, erzeugt durch die wunderschön geschwungenen Krümmer, ist dezent im unteren Bereich und verwandelt sich oben heraus in ein heiseres, sportliches Kreischen.

A2-Drosselung: Auch mit 48 PS ein echter Vierzylinder?

Ja. Auch mit der für den A2-Führerschein nötigen Drosselung behält der Motor seine charakteristische Laufruhe und die lineare Leistungsentfaltung, was ihn zu einer sehr anfängerfreundlichen und hochwertig anfühlenden Option macht.

Die E-Clutch Revolution: Fahren ohne Kupplungshebel

Das ist die eigentliche Sensation. Eine Technologie, die so einfach und intuitiv ist, dass man sich fragt, warum sie nicht schon früher erfunden wurde.

Wie funktioniert die Honda E-Clutch? Einfach erklärt

Stellen Sie sich vor, Sie haben einen unsichtbaren Profi-Rennfahrer in ihrer Kupplung, der die Arbeit für Sie erledigt. Die E-Clutch ist im Grunde eine intelligente, computergesteuerte Aktorik, die das Kupplungspaket automatisch betätigt. Sie erkennt anhand von Raddrehzahl, Drosselklappenstellung, Gang und weiteren Parametern, wann gekuppelt werden muss – beim Anfahren, beim Anhalten und beim Schalten.

Das Fahrerlebnis im Stadtverkehr: Der ultimative Komfortgewinn

Im Stop-and-Go-Verkehr ist die E-Clutch eine absolute Offenbarung. Man rollt an die Ampel, legt den ersten Gang ein und bremst. Der Motor geht nicht aus. Die Kupplung ist offen. Die Ampel wird grün, man gibt Gas, und die E-Clutch kuppelt butterweich und perfekt dosiert ein. Man fährt, schaltet mit dem Fuß die Gänge hoch und runter – alles ohne einmal den Kupplungshebel zu berühren. Das entlastet die linke Hand enorm und macht Stadtfahrten unendlich viel entspannter.

Tipp des Experten von Mathias Kalb: „Nach einer Stunde Stadtverkehr mit der E-Clutch fühlt sich ein normales Motorrad an wie ein Wählscheibentelefon, nachdem man ein Smartphone benutzt hat. Man kann es noch bedienen, aber man will es einfach nicht mehr. Der Komfortgewinn ist real und er ist gewaltig.“

Sportliches Fahren mit E-Clutch: Schneller als manuell?

Überraschenderweise ja. Die Schaltvorgänge sind extrem schnell und präzise, vergleichbar mit einem Quickshifter. Da das System die Kupplung immer perfekt betätigt, gibt es kein Ruckeln. Man kann sich voll auf die Linienwahl und den Bremspunkt konzentrieren.

Kann ich den Kupplungshebel trotzdem noch benutzen? Die Antwort ist Ja!

Und das ist das Geniale an dem System. Der Kupplungshebel ist voll funktionsfähig. Wenn man ihn zieht, überstimmt man das System. Man kann also jederzeit manuell kuppeln, wenn man möchte – zum Beispiel für ein besonders feinfühliges Manöver oder einfach nur aus alter Gewohnheit.

Neo-Sports-Café: Design, Ergonomie und Handling

Die CB650R ist nicht nur technisch, sondern auch optisch ein Leckerbissen.

Das Design-Update und das neue 5-Zoll-TFT-Display

Mit dem letzten Update wurde das „Neo-Sports-Café“-Design weiter geschärft. Es ist eine elegante Mischung aus klassischen und modernen Elementen. Das neue 5-Zoll-TFT-Farbdisplay ist perfekt ablesbar und bietet nun auch Smartphone-Konnektivität über die Honda RoadSync App.

Die Sitzposition: Der perfekte Kompromiss aus Sport und Komfort?

Ja, das kann man so sagen. Man sitzt leicht nach vorne gebeugt, aber immer noch entspannt genug für längere Touren. Die Ergonomie ist aktiv, aber nicht extrem, was die CB650R zu einem fantastischen Allrounder macht.

Agilität und Stabilität: Das ausgewogene Fahrwerk

Das Fahrwerk mit der Showa SFF-BP Gabel vorne bietet eine exzellente Balance. Die CB650R ist agil und wendig in der Stadt, liegt aber gleichzeitig auch bei hohen Geschwindigkeiten auf der Autobahn satt und stabil.

Der Preis der Innovation: Kosten und Unterhalt

Honda macht den Einstieg in die Zukunft erstaunlich erschwinglich.

Der Preis der CB650R mit und ohne E-Clutch im Vergleich

Die Honda CB650R startet bei ca. 9.100 €. Das Modell mit der revolutionären E-Clutch kostet nur ca. 9.500 €. Der Aufpreis von 400 € für diese Technologie ist fast schon ein Geschenk.

Spezifikation
Honda CB650R (2025)
Motor
Flüssigkeitsgekühlter Reihen-4-Zylinder, 16 Ventile, DOHC
Hubraum
649 ccm
Leistung
70 kW (95 PS) bei 12.000 U/min
Drehmoment
63 Nm bei 9.500 U/min
Elektronik
Traktionskontrolle (HSTC), optional E-Clutch
Sitzhöhe
810 mm
Gewicht (fahrfertig)
205 kg (207 kg mit E-Clutch)
Preis (mit E-Clutch)
ca. 9.500 € zzgl. Nebenkosten

Honda-Zuverlässigkeit und die günstigen Unterhaltskosten

Die CB-Modelle sind bekannt für ihre absolute Zuverlässigkeit. Geringer Verbrauch und moderate Servicekosten machen sie zu einem sehr vernünftigen Motorrad im Unterhalt.

Einzigartig oder allein? Die CB650R im Konkurrenzumfeld

Die CB650R hat dank ihres Konzepts keine direkten Konkurrenten.

Merkmal
Honda CB650R
Yamaha MT-07
Triumph Trident 660
Motor
Reihen-4
Reihen-2
Reihen-3
Leistung
95 PS
73,4 PS
81 PS
Gewicht (fahrfertig)
205 kg
184 kg
189 kg
Highlight
Motorcharakter, E-Clutch
Drehmoment, Agilität
Design, Dreizylinder
Preis (Basis)
ca. 9.100 €
ca. 7.899 €
ca. 8.345 €

vs. Yamaha MT-07: Der Drehmoment-König

Die MT-07 ist leichter, agiler und bietet einen kräftigen Punch von unten heraus. Die Honda ist das kultiviertere, hochwertiger anfühlende Motorrad mit einem deutlich breiteren nutzbaren Drehzahlband.

vs. Triumph Trident 660: Der britische Dreizylinder-Charmeur

Der Trident bietet eine tolle Mischung aus Drehmoment und Drehfreude und ein schickes Design. Die Honda kontert mit der einzigartigen Laufkultur des Vierzylinders und der optionalen E-Clutch.

vs. Suzuki GSX-8S: Die neue Zweizylinder-Alternative

Die GSX-8S ist ein moderner, starker Konkurrent mit einem tollen Motor und guter Ausstattung. Aber auch ihr fehlt die Faszination des hochdrehenden Vierzylinders, die die Honda so besonders macht.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Ist die E-Clutch dasselbe wie das DCT-Getriebe von Honda?

Nein. Beim DCT werden die Gänge automatisch gewechselt. Bei der E-Clutch schaltet der Fahrer immer noch selbst mit dem Fußschalthebel – nur die Betätigung des Kupplungshebels entfällt. Man behält also die volle Kontrolle über den Schaltzeitpunkt.

Für wen lohnt sich der Aufpreis für die E-Clutch wirklich?

Für jeden, der regelmäßig in der Stadt oder im Stau fährt, ist es ein absolutes „Must-have“. Aber auch für Tourenfahrer und sportliche Fahrer ist es ein enormer Komfort- und Konzentrationsgewinn. Bei nur 400 € Aufpreis gibt es kaum einen Grund, sie nicht zu nehmen.

Ist die CB650R ein gutes Anfängermotorrad?

Ja, absolut. Sie ist extrem gutmütig und einfach zu fahren. Die A2-Version ist verfügbar, und gerade die E-Clutch macht den Einstieg noch einfacher und stressfreier.

Wie fühlt sich der Vierzylinder im direkten Vergleich zu den Zweizylindern der Konkurrenz an?

Er fühlt sich erwachsener, kultivierter und sportlicher an. Wo Zweizylinder oft etwas rau „hämmern“, summt der Vierzylinder seidig und entfesselt seine Leistung mit einer eleganten Drehfreude.

Fazit: Hat Honda den perfekten Allrounder neu erfunden?

Neu erfunden vielleicht nicht, aber auf eine Weise perfektioniert, die niemand hat kommen sehen. Die Honda CB650R (2025) ist ein faszinierendes Motorrad. Sie kombiniert das Beste aus zwei Welten: den emotionalen, hochdrehenden Charakter eines klassischen Vierzylinders mit einer futuristischen Technologie, die den Alltag revolutioniert. Sie ist stilvoll, sportlich, komfortabel, zuverlässig und nun auch noch unfassbar einfach zu fahren. Das Rezept ist mehr als nur gelungen – es ist brillant.

Tipp des Experten von Mathias Kalb: „Der Vierzylinder gibt der CB650R ihre Seele, die E-Clutch gibt ihr ihren Verstand. Es ist diese Kombination, die sie so überlegen macht. Man bekommt den aufregenden Sound und die Drehfreude für die Sonntagsausfahrt und den unschlagbaren Komfort für den Montagmorgen-Stau. Das ist kein Kompromiss, das ist eine Symbiose.“

Vor- und Nachteile

Pro (Vorteile)
Contra (Nachteile)
✅ Einzigartiger, seidenweicher Vierzylinder-Motor
❌ Etwas höheres Gewicht als die Zweizylinder-Konkurrenz
✅ Revolutionäre, brillante E-Clutch-Technologie
❌ Im unteren Drehzahlbereich weniger Druck als Zweizylinder
✅ Ausgewogenes, anfängerfreundliches Handling
❌ Design ist Geschmackssache
✅ Hohe Verarbeitungsqualität und Zuverlässigkeit
❌ Windschutz für die Autobahn gering
✅ Faires Preis-Leistungs-Verhältnis

Urteil des Redakteurs: Mathias Kalbs persönliches Fazit

Die Honda CB650R mit E-Clutch ist für mich eine der größten Überraschungen der letzten Jahre. Sie ist ein stiller Revolutionär. Sie schreit ihre Leistung nicht heraus, sie überzeugt mit intelligenter, durchdachter Perfektion. Die Kombination aus diesem wunderbaren Motor und einer Technologie, die das Fahren einfacher macht, ohne den Spaß zu nehmen, ist genial. Für mich ist sie aktuell der kompletteste, intelligenteste und begehrenswerteste Allrounder in der Mittelklasse. Eine absolute Kaufempfehlung – und zwar mit E-Clutch.

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