Wie verbessert man ein Meisterwerk? Wie macht man ein Motorrad, das bereits die Gesetze der Physik herauszufordern scheint, noch schneller, noch präziser, noch begehrenswerter? In Borgo Panigale beantwortet man diese Frage nicht mit Revolutionen, sondern mit obsessiver, unermüdlicher Evolution. Die Panigale V4 S für das Modelljahr 2025 ist das Ergebnis genau dieser Philosophie. Sie ist kein komplett neues Motorrad, sondern eine Summe aus unzähligen kleinen, aber entscheidenden Verbesserungen, die direkt aus den Daten der MotoGP- und Superbike-Weltmeisterschaften abgeleitet wurden. Das Ziel: die letzte, entscheidende Hundertstelsekunde zu finden.
Evolution statt Revolution: Die Updates für 2025 im Detail
Ducati hat an den entscheidenden Stellschrauben gedreht, um die Performance weiter zu steigern.

Aerodynamik 2.0: Optimierte Winglets und Verkleidung
Die doppelstöckigen Winglets wurden im Windkanal weiter optimiert. Sie sind nun etwas schlanker, erzeugen aber den gleichen Anpressdruck von bis zu 37 kg bei 300 km/h. Neue, seitliche Abluftkanäle in der Verkleidung verbessern die Kühlung des Motors und leiten die heiße Luft effizienter vom Fahrer weg.
Elektronik-Feinschliff: Neue Software für noch mehr Kontrolle
Die bereits unerreichte Elektronik-Suite erhält neue Software-Updates. Die Algorithmen für die Traktionskontrolle (DTC EVO 3) und das Ride-by-Wire-System wurden verfeinert, um eine noch sanftere und gleichzeitig direktere Kontrolle am Limit zu ermöglichen.
Die neuen „Carbon“ Editionen: Exklusivität hat ihren Preis
Für die V4 S-Version bietet Ducati nun exklusive „Carbon“-Pakete an, die zahlreiche Anbauteile wie Kotflügel, Fersenschützer und Verkleidungsteile aus ultraleichtem Kohlefaserlaminat umfassen, was das Gewicht weiter reduziert und die Rennsport-Optik unterstreicht.
Das Herzstück: Der Desmosedici Stradale V4-Motor
Der Motor ist das Juwel, um das dieses Kunstwerk gebaut wurde. Er ist ein direktes Derivat des MotoGP-Triebwerks.
215,5 PS und der unverkennbare Sound eines MotoGP-Bikes
Die schiere Leistung von 215,5 PS ist eine Ansage. Doch es ist die Art, wie diese Leistung entfesselt wird, die den Atem raubt. Begleitet von einem trockenen, harten Bellen aus dem Auspuff, das dem Sound eines echten Rennprototyps verblüffend ähnlich ist, dreht der V4 mit einer Gier und Leichtigkeit in den Begrenzer, die ihresgleichen sucht.
Gegenläufige Kurbelwelle: Das Geheimnis des Handlings
Wie im Rennsport dreht sich die Kurbelwelle der Panigale entgegen der Fahrtrichtung. Dieser Trick reduziert die Kreiselkräfte der Räder, was das Motorrad spürbar agiler macht, das Einlenken in Kurven erleichtert und die Wheelie-Neigung beim harten Beschleunigen verringert.
Tipp des Experten von Mathias Kalb: „Die gegenläufige Kurbelwelle ist keine Spielerei, sie ist pure, wirksame Rennsporttechnik. Man spürt sie in jedem Richtungswechsel. Das Motorrad kippt nicht in die Kurve, es ‚fällt‘ förmlich mit einer Leichtigkeit, die das immense Potential des Motors erst beherrschbar macht. Ein Geniestreich.“
MotoGP für die Straße: Der X-Faktor der Panigale
Kein anderes Serienmotorrad ist näher am Rennsport-Olymp als die Panigale V4.
Vom Rennprototyp zum Serienbike: Eine direkte technologische Linie
Die Architektur des Motors, die Bohrungsmaße, die desmodromische Ventilsteuerung – all das sind Technologien, die direkt aus dem Ducati-Corse-Rennteam stammen. Die Panigale ist keine „Hommage“ an den Rennsport, sie ist Rennsport.
„Twin Pulse“-Zündfolge: Der Charakter eines Weltmeisters
Die Zündfolge, bei der die Zylinder auf jeder Seite fast gleichzeitig zünden, imitiert das Verhalten eines V2-Motors. Das Ergebnis ist ein einzigartiger Charakter mit einem brachialen Drehmoment im mittleren Bereich und dem unverkennbaren „Donnern“ beim Gasgeben.

Gebaut für die Ideallinie: Chassis und Bremsen
Die Hardware der Panigale V4 S ist über jeden Zweifel erhaben.
Das „Front Frame“-Konzept: Steifigkeit und Gefühl im Einklang
Der kurze und leichte Aluminium-Frontrahmen nutzt den Motor als tragendes Element. Dieses Konzept ermöglicht eine optimale Balance aus Steifigkeit für die Bremse und gezieltem Flex in Schräglage, was dem Fahrer ein kristallklares Feedback gibt.
Öhlins Smart EC 2.0: Das semi-aktive Meisterstück
Die semi-aktive, elektronische Federung der V4 S ist schlichtweg brillant. Sie passt die Dämpfung von Gabel und Federbein in Echtzeit an den Fahrzustand an. Beim harten Bremsen verhärtet die Front, am Kurvenausgang das Heck. Das Ergebnis ist eine unglaubliche Stabilität und ein Vertrauen, das konventionelle Fahrwerke nicht bieten können.
Brembo Stylema R: Verzögern wie ein Profi
Die Stylema R-Bremssättel sind eine Weiterentwicklung der bereits exzellenten Stylema-Bremsen. Sie bieten noch mehr Kühlung und eine unerschütterliche Konstanz, selbst unter der extremen Belastung auf der Rennstrecke.
Im Rausch der Geschwindigkeit: Die Panigale auf der Rennstrecke
Die Landstraße ist für sie nur der Weg zur Boxengasse. Ihr Zuhause ist der Racetrack.
Ein chirurgisches Instrument: Präzision und Agilität am Limit
Auf der Rennstrecke transformiert sich die Panigale. Sie wird zu einem chirurgisch präzisen Instrument. Jeder Lenkimpuls wird ohne Verzögerung umgesetzt. Sie carvt mit einer stoischen Ruhe durch Kurven und folgt der Ideallinie, als wäre sie auf Schienen.
Die Aerodynamik in Aktion: Stabilität bei über 300 km/h
Erst bei Geschwindigkeiten jenseits der 250 km/h spürt man die volle Wirkung der Aerodynamik. Die Winglets pressen das Vorderrad auf den Boden und verleihen dem Motorrad eine Stabilität, die fast schon unheimlich ist. Das Motorrad liegt satt und ruhig, wo andere längst anfangen würden, unruhig zu werden.
Der Preis der Exklusivität: Kosten und Unterhalt
Ein Traum hat seinen Preis. Im Falle der Panigale V4 S ist er hoch.
Die Preise der Panigale V4 S und der Sondermodelle 2025
Der Basispreis der Ducati Panigale V4 S beginnt 2025 bei ca. 33.000 €. Die exklusiven Carbon-Editionen können diesen Preis weiter in die Höhe treiben.
Spezifikation | Ducati Panigale V4 S (2025) |
Motor | Flüssigkeitsgekühlter Desmosedici Stradale 90°-V4, gegenläufige Kurbelwelle |
Hubraum | 1.103 ccm |
Leistung | 158.5 kW (215,5 PS) bei 13.000 U/min |
Drehmoment | 123.6 Nm bei 9.500 U/min |
Rahmen | Aluminium „Front Frame“ |
Fahrwerk | Öhlins NPX25/30 Gabel, Öhlins TTX36 Federbein (elektronisch, semi-aktiv) |
Bremsen | 2x 330 mm Scheiben, Brembo Stylema R 4-Kolben-Sättel |
Sitzhöhe | 850 mm |
Gewicht (fahrfertig) | 194,5 kg |
Preis (Basis) | ca. 33.000 € zzgl. Nebenkosten |
Desmo-Service und laufende Kosten: Die Realität des Besitzes
Der Besitz einer Panigale ist ein kostspieliges Vergnügen. Der aufwendige Desmo-Service alle 24.000 km ist ein signifikanter Kostenfaktor, den man einplanen muss. Auch Reifen und Bremsen verschleißen bei artgerechter Haltung rasant.

Der Gipfel des Olymps: Die Panigale V4 S im Konkurrenzumfeld
Der Kampf der Titanen.
Merkmal | Ducati Panigale V4 S | BMW S 1000 RR | Aprilia RSV4 Factory |
Motor | V4 | Reihen-4 | V4 |
Leistung | 215,5 PS | 210 PS | 217 PS |
Gewicht (fahrfertig) | 194,5 kg | 197 kg | 202 kg |
Elektronik-Highlight | Öhlins Smart EC 2.0 | Slide Control | APRC-System |
Philosophie | Leidenschaft & MotoGP-DNA | Intelligenz & Kontrolle | Chassis & V4-Sound |
Preis (Basis) | ca. 33.000 € | ca. 21.000 € | ca. 24.000 € |
vs. BMW S 1000 RR: Deutsche Ingenieurskunst gegen italienische Leidenschaft
Die S 1000 RR ist das analytische Superhirn, ihre Elektronik (Slide Control) ist revolutionär und hilft dem Fahrer aktiv. Die Panigale ist die emotionale Künstlerin, die vom Fahrer fordert, ihr Talent zu nutzen. Die BMW ist zugänglicher und günstiger, die Ducati exklusiver und leidenschaftlicher.
vs. Aprilia RSV4 Factory: Das Duell der V4-Philosophien
Die Aprilia ist berühmt für ihr legendäres Chassis und den sonoren Klang ihres 65-Grad-V4. Sie ist der ewige Herausforderer. Die Panigale bietet das noch umfassendere Elektronikpaket und die direktere Verbindung zum MotoGP-Rennsport.
vs. Honda CBR1000RR-R Fireblade SP: Japanische Präzision
Die Fireblade ist ein Muster an Perfektion und Zuverlässigkeit. Sie ist extrem schnell und präzise. Ihr fehlt jedoch die rohe, fast schon animalische Seele und das extravagante Design der Panigale.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Ist die Panigale V4 S auf der Landstraße überhaupt fahrbar?
Kurz gesagt: Kaum. Die extreme Sitzposition, die massive Hitzeentwicklung und die für hohe Geschwindigkeiten ausgelegte Abstimmung machen sie auf normalen Straßen zur Qual. Sie ist ein reinrassiges Rennstrecken-Motorrad.
Wie schlimm ist die Hitzeentwicklung des V4-Motors wirklich?
Im Stadtverkehr oder bei langsamer Fahrt im Sommer ist sie erheblich. Der hintere Zylinderblock und die Auspuffanlage heizen den Sitzbereich stark auf. Auf der Rennstrecke mit hohem Tempo ist dies weniger ein Problem.
Lohnt sich der Aufpreis von der Standard V4 zur V4 S?
Ja, absolut. Allein das semi-aktive Öhlins-Fahrwerk der S-Version ist den Aufpreis wert. Es transformiert das Fahrverhalten und ist für jeden, der das Motorrad ernsthaft auf der Rennstrecke bewegen will, ein Muss.
Ist das Motorrad für Einsteiger oder nur für Experten geeignet?
Nur für sehr erfahrene Piloten. Die Leistung ist so extrem und das Fahrverhalten so direkt, dass es ohne umfangreiche Rennstreckenerfahrung gefährlich und frustrierend wäre. Dies ist kein Motorrad zum Lernen.
Fazit: Ist die Panigale V4 S das ultimative Superbike?
Sie ist nicht nur ein Superbike. Sie ist ein Mythos, ein Kunstwerk, eine Demonstration des Machbaren. Sie ist nicht die rationalste oder vernünftigste Wahl. Aber die besten Dinge im Leben sind selten vernünftig. Für den Piloten, der die ultimative Verbindung zum Rennsport sucht, der bereit ist, sich der Herausforderung zu stellen und der die finanziellen Mittel hat, gibt es nichts Vergleichbares. Die Ducati Panigale V4 S ist auch 2025 noch der rote Planet, um den sich alle anderen drehen.
Tipp des Experten von Mathias Kalb: „Eine Panigale V4 S kauft man nicht, man verdient sie sich. Man verdient sie sich durch Erfahrung, durch Respekt vor der Leistung und durch die Bereitschaft, an sich selbst zu arbeiten. Wenn man dazu bereit ist, belohnt sie einen mit einem Erlebnis, das so nah am professionellen Rennsport ist, wie es für Geld zu kaufen ist.“
Vor- und Nachteile
Pro (Vorteile) | Contra (Nachteile) |
✅ Atemberaubende Leistung und MotoGP-Sound | ❌ Auf der Landstraße praktisch unfahrbar |
✅ Herausragendes semi-aktives Öhlins-Fahrwerk | ❌ Extreme Hitzeentwicklung vom Motor |
✅ Präzision und Stabilität auf Weltklasse-Niveau | ❌ Extrem hoher Anschaffungs- und Unterhaltspreis |
✅ Umfassendes und exzellentes Elektronikpaket | ❌ Brutale, unkomfortable Ergonomie |
✅ Ikonisches, wunderschönes Design |
Urteil des Redakteurs: Mathias Kalbs persönliches Fazit
Die Ducati Panigale V4 S ist eine Droge. Eine legale, aber hochgradig süchtig machende Droge. Jede Sekunde im Sattel auf einer Rennstrecke ist eine Überdosis an Adrenalin, Präzision und purer, ungefilterter Geschwindigkeit. Sie ist anstrengend, sie ist teuer, sie ist unpraktisch. Aber sie ist auch ehrlich. Sie ist die reinste Form eines Superbikes, die man heute kaufen kann. Sie ist nicht für jeden, und das ist auch gut so. Sie ist eine Legende. Und Legenden machen keine Kompromisse.
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