Ducati Multistrada V2 S (2025) im Test: Der heimliche Star der Familie?

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Geschrieben von Mathias Kalb

Zurzeit besitze ich zwei Motorräder: einen Honda ADV-Roller für den Alltag und eine Kawasaki Ninja 1000 zum Beschleunigen am Wochenende.

Im Schatten der übermächtigen V4-Schwester führt die Ducati Multistrada V2 S ein Dasein als der zugängliche, leichtere und preiswertere Einstieg in die Welt der Crossover-Bikes aus Bologna. Doch sie als reines „Einsteigermodell“ abzutun, würde ihr bei Weitem nicht gerecht. Mit dem bewährten Testastretta-V2, einem hochentwickelten Elektronikpaket inklusive semi-aktivem Fahrwerk und einer überarbeiteten Ergonomie stellt sie eine entscheidende Frage: Braucht man wirklich mehr Motorrad als das, was die V2 S zu bieten hat?

Der Motor: Ist der 937er Testastretta der perfekte Kompromiss?

Der flüssigkeitsgekühlte 937-Kubik-Testastretta-11°-V2 ist ein alter Bekannter und das Herzstück vieler Ducati-Modelle. In der Multistrada V2 S leistet er 113 PS bei 9.000 U/min und liefert ein maximales Drehmoment von 96 Nm. Diese Zahlen mögen im Vergleich zur V4 bescheiden klingen, sind aber in der realen Welt mehr als ausreichend. Der Motor ist ein Meister der Vielseitigkeit: Er kann sanft und kultiviert bei niedrigen Drehzahlen durch die Stadt bewegt werden, liefert aber ab der Mitte einen druckvollen, charakterstarken Schub, der auf der Landstraße für souveräne Überholmanöver und jede Menge Fahrspaß sorgt. Er ist emotional, klingt fantastisch und ist dabei perfekt kontrollierbar. Für viele Fahrer ist diese Balance aus Leistung und Beherrschbarkeit nicht nur ausreichend, sondern ideal.

Tipp von Mathias Kalb: Nutzen Sie den ‚Urban‘-Modus im Stadtverkehr konsequent. Die Reduzierung der Leistung auf 75 PS macht die Gasannahme extrem weich und das Fahren im Stop-and-Go-Verkehr deutlich entspannter. Das schont nicht nur die Nerven, sondern auch die Kupplungshand.

Technische Daten der Ducati Multistrada V2 S (2025)

Merkmal
Daten
Motor
Flüssigkeitsgekühlter Testastretta 11° L-Twin, Desmodromik
Hubraum
937 cm³
Leistung
83 kW (113 PS) bei 9.000 U/min
Drehmoment
96 Nm bei 7.750 U/min
Sitzhöhe
830 mm (optional 810 mm / 850 mm)
Gewicht (fahrfertig)
225 kg
Tankinhalt
20 Liter
Fahrwerk vorne
48 mm Sachs Upside-Down-Gabel, semi-aktiv (Skyhook)
Fahrwerk hinten
Sachs Monofederbein, semi-aktiv (Skyhook)
Bremsen vorne
Zwei 320-mm-Scheiben, Brembo M4.32 Monoblock-Sättel
Preis (Deutschland)
ab 18.190 € (Stand 2025)

Fahrwerk und Handling: Wie viel „S“ steckt in der V2?

Sehr viel. Das semi-aktive Ducati Skyhook Suspension (DSS) Evo Fahrwerk ist das entscheidende Merkmal, das die S-Version vom Standardmodell abhebt und sie in eine andere Liga katapultiert. Das System passt die Dämpfung von Gabel und Federbein permanent und in Echtzeit an die Fahrbahn und den gewählten Fahrmodus an. Das Ergebnis ist eine beeindruckende Spreizung: Im ‚Touring‘-Modus gleitet die Multistrada V2 S komfortabel über Unebenheiten, während sie sich im ‚Sport‘-Modus in ein straffes, präzises Kurveninstrument verwandelt. Gepaart mit dem 19-Zoll-Vorderrad und einem fahrfertigen Gewicht von 225 kg (18 kg leichter als die V4 S) ergibt sich ein spielerisches, agiles und dennoch sehr stabiles Fahrverhalten.

Der Ingenieur-Kompromiss: Zugänglichkeit vs. ultimative Performance

Die Multistrada V2 S ist bewusst als das zugänglichere Motorrad konzipiert. Wer sich für die leichtere, agilere V2 entscheidet, opfert zwangsläufig die brachiale Spitzenleistung und die technologischen Leuchtturm-Features (wie das Radar-System) der V4. Der Kompromiss liegt in der Philosophie: Die V2 S ist darauf ausgelegt, auf 95% der öffentlichen Straßen 100% des Fahrspaßes zu liefern. Sie ist weniger einschüchternd und für eine breitere Masse von Fahrern leichter im Grenzbereich zu bewegen. Man verzichtet auf das letzte Quäntchen „Superbike auf Stelzen“, gewinnt dafür aber an Leichtfüßigkeit und finanzieller Erreichbarkeit.

Ergonomie und Reisekomfort: Wurden die Details verbessert?

Ja, und das ist entscheidend. Gegenüber der Vorgängerin (Multistrada 950) wurde die Ergonomie gezielt verbessert. Die Sitzbank ist schmaler und flacher, was zusammen mit der Sitzhöhe von 830 mm auch kleineren Fahrern einen besseren Bodenkontakt ermöglicht. Die Fußrasten wurden neu positioniert, um den Kniewinkel zu entspannen. Der Windschutz ist gut, und das Cockpit mit dem 5-Zoll-TFT-Display ist übersichtlich und modern. In Summe ist die V2 S ein sehr komfortables Reisemotorrad, das auch mehrtägige Touren ohne Ermüdung ermöglicht.

Der „Preis eines Fehlers“: Vernachlässigung der Fahrmodi-Anpassung

Ein häufiger Fehler ist es, das Motorrad permanent im favorisierten ‚Sport‘- oder ‚Touring‘-Modus zu belassen, ohne die Feinjustierung zu nutzen.

  • Problem: Ein Fahrer fährt mit Sozius und Gepäck in den Urlaub, belässt das Fahrwerk aber in der Solo-Einstellung.
  • Lösung: Auswahl des korrekten Beladungszustands im Menü des Skyhook-Fahrwerks (Fahrer, Fahrer+Gepäck, Fahrer+Sozius etc.).
  • Ergebnis (bei Nichtbeachtung): Das semi-aktive Fahrwerk arbeitet mit einer falschen Grundannahme für die Federvorspannung. Das Heck sackt zu tief ein, die Fahrstabilität bei hohen Geschwindigkeiten leidet, und der Komfort ist eingeschränkt. Die „Kosten“ sind ein sub-optimales und potenziell unsicheres Fahrverhalten. Man bezahlt für ein hochintelligentes System, nutzt aber dessen wichtigste Anpassungsfunktion nicht. Die korrekte Einstellung dauert 10 Sekunden und transformiert das Fahrverhalten.

Die Rivalen: Der Kampf in der Premium-Mittelklasse

Die Multistrada V2 S trifft auf extrem starke Konkurrenz, die oft mehr Leistung oder einen niedrigeren Preis bietet.

Modell
Motor
Leistung
Gewicht
Stärken
Schwächen
Ducati Multistrada V2 S
L-Twin
113 PS
225 kg
Top-Fahrwerk (Skyhook), Agilität, Emotion
Hoher Preis, weniger Leistung als Konkurrenz
Triumph Tiger 900 GT Pro
3-Zylinder-Reihe
108 PS
219 kg
Charakter-Motor, Top-Ausstattung, günstiger
Fahrwerk nicht ganz auf Skyhook-Niveau
BMW F 900 XR
2-Zylinder-Reihe
105 PS
219 kg
Zugänglichkeit, Top-Connectivity (optional)
Weniger emotional, Basis-Fahrwerk einfach

Die Tiger 900 GT Pro ist der charmante Alleskönner mit dem einzigartigen Dreizylinder. Die BMW F 900 XR ist die pragmatische, sehr gute, aber weniger emotionale Alternative. Die Ducati Multistrada V2 S ist das italienische Premium-Angebot – sie ist die teuerste, aber sie bietet auch das mit Abstand beste Fahrwerk und den emotionalsten Motor in diesem Trio.

Fazit: Für wen ist die Ducati Multistrada V2 S die richtige Wahl?

Die Ducati Multistrada V2 S ist das perfekte Motorrad für den erfahrenen Fahrer, der ein hochwertiges, agiles und technologisch fortschrittliches Crossover-Bike für die Landstraße und die große Tour sucht, aber nicht die 170 PS und das Gewicht der V4 benötigt oder will. Sie ist die Wahl der Vernunft, ohne dabei auf die Ducati-typische Emotion und den Fahrspaß zu verzichten.

Sie beweist eindrucksvoll, dass „weniger“ oft „mehr“ sein kann. Weniger Gewicht führt zu mehr Agilität, weniger Leistung zu mehr Kontrollierbarkeit. Für viele ist sie nicht nur die kleinere, sondern am Ende des Tages die bessere, weil ausgewogenere Multistrada. Sie ist der heimliche Star der Familie.

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