Ducati DesertX (2025) im Test: Die Wiedergeburt der Rally-Legende?

Foto des Autors
Geschrieben von Mathias Kalb

Zurzeit besitze ich zwei Motorräder: einen Honda ADV-Roller für den Alltag und eine Kawasaki Ninja 1000 zum Beschleunigen am Wochenende.

Mit der DesertX betritt Ducati Neuland und kehrt doch zu den eigenen Wurzeln zurück – den legendären Cagiva Elefant-Wüstenrennern der 80er Jahre. Dieses Motorrad ist kein Kompromiss. Es ist eine unmissverständliche Ansage im Segment der hardcore-fähigen Reiseenduros, die direkt auf das Herz von Abenteurern zielt. Mit einem 21-Zoll-Vorderrad, langhubigen Federelementen und einem potenten V2-Motor will sie die Brücke zwischen anspruchsvollem Offroad-Einsatz und tourentauglicher Performance schlagen. Doch ist sie eine echte Wüstenkönigin oder nur eine wunderschöne Hommage an vergangene Zeiten?

Der Motor: Passt der Testastretta-V2 ins Gelände?

Im Herzen der DesertX schlägt der bekannte und bewährte 937-Kubik-Testastretta-11°-V2-Motor. Mit 110 PS bei 9.250 U/min und 92 Nm bei 6.500 U/min ist er einer der stärksten Antriebe in diesem Segment. Für den Einsatz in der DesertX wurde er jedoch umfassend überarbeitet. Kürzere Getriebeübersetzungen (insbesondere in den ersten Gängen) und eine angepasste Motorabstimmung sorgen für eine exzellente Dosierbarkeit und einen kraftvollen Antritt bei niedrigen Drehzahlen – entscheidend für technische Offroad-Passagen. Auf der Straße zeigt der Motor dann sein zweites Gesicht: Er dreht gierig hoch, liefert satten Druck in der Mitte und begeistert mit dem emotionalen, V2-typischen Sound. Er ist die perfekte Verkörperung des Crossover-Anspruchs der DesertX: kultiviert und stark auf Asphalt, beherrschbar und druckvoll im Gelände.

Tipp von Mathias Kalb: Nutzen Sie den ‚Rally‘-Modus für echtes Offroad-Fahren. Er bietet nicht nur die volle Leistung, sondern erlaubt über die DTC-Einstellung ‚1‘ oder ‚2‘ kontrollierte Drifts am Kurvenausgang. Das ABS am Hinterrad ist komplett deaktiviert. Das erfordert Übung, ermöglicht aber ein unerreicht aktives und schnelles Fahren auf losem Untergrund.

Technische Daten der Ducati DesertX (2025)

Merkmal
Daten
Motor
Flüssigkeitsgekühlter Testastretta 11° L-Twin, Desmodromik
Hubraum
937 cm³
Leistung
81 kW (110 PS) bei 9.250 U/min
Drehmoment
92 Nm bei 6.500 U/min
Sitzhöhe
875 mm
Gewicht (fahrfertig)
223 kg
Tankinhalt
21 Liter (optional +8 Liter Hecktank)
Fahrwerk vorne
Kayaba 46 mm Upside-Down-Gabel, voll einstellbar
Fahrwerk hinten
Kayaba Monoshock-Federbein, voll einstellbar
Federweg (v/h)
230 mm / 220 mm
Preis (Deutschland)
ab 16.990 € (Stand 2025)

Fahrwerk und Offroad-Performance: Hält das Fahrwerk, was die Optik verspricht?

Absolut. Das Fahrwerk ist das technische Highlight der DesertX. Die voll einstellbaren Kayaba-Federelemente bieten mit 230 mm Federweg vorne und 220 mm hinten enorme Reserven. In Kombination mit der 21/18-Zoll-Radkombination und einer Bodenfreiheit von 250 mm wird klar: Dieses Motorrad meint es ernst. Das Fahrwerk schluckt tiefe Schlaglöcher, Felsbrocken und Sprünge mit einer Souveränität, die in dieser Klasse Maßstäbe setzt. Es ist straff genug für eine präzise Linienwahl, aber gleichzeitig sensibel genug, um Traktion zu generieren. Die Ergonomie ist perfekt für das Fahren im Stehen ausgelegt: Der schmale Tank, die hohe Lenkerposition und die gut platzierten Fußrasten ermöglichen eine ermüdungsfreie Kontrolle im anspruchsvollen Gelände.

Der Ingenieur-Kompromiss: Der Preis der Offroad-Kompetenz

Wer sich für ein Motorrad mit 230 mm Federweg und einer Sitzhöhe von 875 mm entscheidet, muss sich der Konsequenzen bewusst sein. Die hohe Bauweise ist der Preis für die überragende Geländegängigkeit. Fahrer unter 1,80 m werden beim Anhalten und Rangieren zu kämpfen haben. Auf der Straße führt der lange Federweg bei sehr harter Fahrweise zu mehr Bewegung im Chassis als bei einer rein straßenorientierten Reiseenduro. Der Kompromiss ist also: Man erhält eine Waffe für das Gelände, muss dafür aber Abstriche bei der Zugänglichkeit für kleinere Fahrer und bei der ultimativen Stabilität im Hypersport-Tempo auf Asphalt machen.

Reisekomfort und Ausstattung: Ist die DesertX auch eine gute Tourenmaschine?

Ja, aber mit einem klaren Fokus. Der Windschutz des steil stehenden Windschilds ist erstaunlich gut und sorgt für eine turbulenzfreie Fahrt. Die Sitzbank ist straff, aber für lange Etappen gut geformt. Das hochformatige 5-Zoll-TFT-Display ist auch im Stehen perfekt ablesbar und bietet eine spezielle „Rally“-Ansicht. Mit dem serienmäßigen 21-Liter-Tank sind Reichweiten von über 400 km realistisch.

Der „Preis eines Fehlers“: Falsche Beladung und ihre Folgen

Ein typischer Fehler auf der ersten großen Reise ist die Überladung des Hecks mit zu viel und zu hoch montiertem Gepäck.

  • Problem: Ein Fahrer montiert eine große Gepäckrolle hoch auf dem Soziussitz und belädt die Koffer maximal.
  • Lösung: Schwere Gegenstände in die Koffer und so tief wie möglich. Leichte, voluminöse Dinge (Schlafsack) nach oben.
  • Ergebnis (bei Nichtbeachtung): Der Schwerpunkt des Motorrads wandert dramatisch nach oben und hinten. Dies entlastet das Vorderrad und führt zu einem instabilen, pendelnden Fahrverhalten bei höheren Geschwindigkeiten („High-Speed-Pendeln“). Die „Kosten“ sind ein massiver Verlust an Fahrsicherheit. Im Gelände führt ein hohes Gewicht am Heck zu einer mangelnden Kontrollierbarkeit und erhöht die Sturzgefahr in technischen Sektionen erheblich.

Der Vergleich: Ducati vs. die etablierte Konkurrenz

Die DesertX tritt gegen einige der besten Adventure-Bikes auf dem Markt an.

Modell
Motor
Federweg (v/h)
Gewicht
Stärken
Schwächen
Ducati DesertX
L-Twin
230/220 mm
223 kg
Überragendes Fahrwerk, starker Motor, Design
Sehr hohe Sitzhöhe, hoher Preis
Husqvarna Norden 901
2-Zylinder-Reihe
220/215 mm
217 kg
Top-Allrounder, Komfort, Design-Eigenständigkeit
Fahrwerk weniger „Hardcore“ als Ducati
Triumph Tiger 900 Rally Pro
3-Zylinder-Reihe
240/230 mm
221 kg
Charaktervoller Motor, Top-Ausstattung
Komplexere Ergonomie, Schwerpunkt gefühlt höher

Die Husqvarna Norden 901 ist der stilvolle Alleskönner mit mehr Fokus auf Touring-Komfort. Die Triumph Tiger 900 Rally Pro ist die üppig ausgestattete Alternative mit dem einzigartigen Dreizylinder-Charakter. Die Ducati DesertX ist die kompromissloseste und sportlichste Offroad-Maschine in diesem Trio, die ihre Rally-Gene am deutlichsten zur Schau stellt.

Fazit: Für wen wurde die Ducati DesertX gebaut?

Die Ducati DesertX ist kein Motorrad für jeden. Sie ist ein spezialisiertes Werkzeug für den erfahrenen Reiseenduro-Fahrer, dessen Herz für anspruchsvolle Offroad-Abenteuer schlägt. Sie ist für den Piloten, der die Performance eines modernen Ducati-Motors schätzt, aber bereit ist, diesen auf Schotter, Sand und Felsen artgerecht zu bewegen.

Sie ist weniger ein komfortabler Kilometerfresser als vielmehr ein hochpotentes Sportgerät für das Gelände, das zufällig auch auf der Straße eine exzellente Figur macht. Wer ein zugängliches Einsteiger-Motorrad sucht, ist hier falsch. Wer jedoch die technisch und fahrdynamisch aufregendste Interpretation einer Rally-Enduro sucht, die derzeit auf dem Markt ist, für den ist die DesertX nicht nur eine Option – sie ist die Erfüllung eines Traums.

Fotos

Schreibe einen Kommentar