BMW R 18 Transcontinental (2025) im Test: Der deutsche Angriff auf Harley & Co.?

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Geschrieben von Mathias Kalb

Zurzeit besitze ich zwei Motorräder: einen Honda ADV-Roller für den Alltag und eine Kawasaki Ninja 1000 zum Beschleunigen am Wochenende.

Mit der R 18 Transcontinental wagt sich BMW tief in das Hoheitsgebiet der amerikanischen Legenden Harley-Davidson und Indian vor. Dies ist kein Kompromiss, sondern ein unmissverständliches Statement: ein Full-Dress-Tourer, der deutsche Ingenieurskunst mit der Lässigkeit und dem Drehmoment des „Grand American Touring“ verbinden will. Im Zentrum steht der gewaltige „Big Boxer“-Motor, um den herum ein Motorrad für die ganz große Reise gebaut wurde. Doch kann dieser teutonische Luxusliner im Land der unbegrenzten Highways wirklich überzeugen?

Der Big Boxer: Ist der 1,8-Liter-Motor mehr als nur eine Skulptur?

Der luft-/ölgekühlte Zweizylinder-Boxermotor mit 1802 Kubikzentimetern ist das Herz, die Seele und der unumstrittene Star der R 18. Er ist eine mechanische Skulptur, die beim Start mit einem gewaltigen Ruck nach links erwacht und im Leerlauf mit spürbaren, aber niemals unangenehmen Vibrationen pulsiert. Mit 91 PS ist er kein Leistungswunder, aber darum geht es hier nicht. Es geht um Drehmoment. Über 150 Nm liegen fast durchgehend zwischen 2.000 und 4.000 U/min an. Das Resultat ist ein Fahrerlebnis wie bei einem Ozeandampfer: Souverän, unaufgeregt und mit einem schier unendlichen Schub aus dem Drehzahlkeller. Jeder Gasstoß wird mit einem tiefen, bassigen Grollen beantwortet, das süchtig macht. Dieser Motor entschleunigt, er zwingt dem Fahrer seinen Rhythmus auf – und das ist als absolutes Kompliment zu verstehen.

Technische Daten der BMW R 18 Transcontinental (2025)

Merkmal
Daten
Motor
Luft-/ölgekühlter 2-Zylinder-Boxermotor
Hubraum
1.802 cm³
Leistung
67 kW (91 PS) bei 4.750 U/min
Drehmoment
158 Nm bei 3.000 U/min
Sitzhöhe
740 mm
Gewicht (fahrfertig)
427 kg
Tankinhalt
24 Liter
Fahrwerk vorne
49 mm Telegabel mit Gabelhülsen
Fahrwerk hinten
Stahl-Zweiarmschwinge mit Zentralfederbein, automat. Lastausgleich
Bremsen vorne
Zwei 300-mm-Scheiben, 4-Kolben-Festsättel, Vollintegral ABS
Preis (Deutschland)
ab 29.350 € (Stand 2025)

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Fahrdynamik: Wie bewegt man ein 427-Kilogramm-Motorrad?

Die Zahl ist respekteinflößend: 427 kg fahrfertig. Sobald die Transcontinental jedoch rollt, kaschiert sie ihr Gewicht erstaunlich gut. Der extrem tiefe Schwerpunkt des Boxermotors sorgt für eine beeindruckende Stabilität bei Landstraßen- und Autobahntempo. Lange, weite Kurven durcheilt sie mit stoischer Ruhe. Die Herausforderung beginnt bei niedrigen Geschwindigkeiten. Rangieren und enge Wendemanöver erfordern Kraft, Voraussicht und Respekt.

Der „Preis eines Fehlers“: Der falsche Bremseinsatz beim Rangieren

Der klassische Fehler bei einem derart schweren Motorrad ist der Griff zur Vorderradbremse bei stark eingeschlagenem Lenker und langsamer Fahrt, z.B. beim Wenden.

  • Problem: Der Fahrer will im Schritttempo wenden und bremst vorne.
  • Lösung: Ausschließlich die Hinterradbremse zur Geschwindigkeitskontrolle nutzen, Blickführung weit voraus und konstante Drehzahl mit schleifender Kupplung.
  • Ergebnis (bei Nichtbeachtung): Das hohe Gewicht und die Lenkgeometrie führen dazu, dass das Motorrad schlagartig nach innen kippt. Ab einem gewissen Punkt ist es physikalisch unmöglich, die 427 kg zu halten. Der „Preis“ ist in diesem Fall kein finanzieller, sondern der fast unvermeidliche Umfaller. Die serienmäßige Rückfahrhilfe ist daher kein Gimmick, sondern ein essenzielles Werkzeug, das man nutzen sollte.

Kommandozentrale: Wie gut sind Komfort und Infotainment?

Hier setzt die Transcontinental Maßstäbe. Der Fahrer thront auf einem bequemen Sessel, perfekt geschützt hinter der riesigen, rahmenfesten Verkleidung. Die serienmäßigen Trittbretter erlauben eine entspannte Fußhaltung. Das Cockpit ist eine Mischung aus Klassik und Hightech: Vier wunderschöne analoge Rundinstrumente werden ergänzt durch das gigantische 10,25-Zoll-TFT-Farbdisplay. Dieses Display ist das Informations- und Entertainment-Zentrum, das von der Navigation bis zur Smartphone-Integration alles beherrscht. In Kombination mit dem optionalen Marshall-Gold-Series-Soundsystem wird jede Fahrt zum Konzertsaal auf zwei Rädern. Der optionale Abstandstempomat (Active Cruise Control) macht lange Autobahnetappen zu einer unglaublich entspannten Angelegenheit.

Tipp von Mathias Kalb: Nutzen Sie die Favoritentasten am Tank. Programmieren Sie sich Ihre wichtigsten Funktionen, z.B. „Navigation nach Hause“ oder „Nächste Tankstelle“, darauf. Das erspart während der Fahrt die teils komplexe Menüführung über den Multi-Controller und erhöht die Sicherheit.

Der Ingenieur-Kompromiss: Authentizität vs. Agilität

BMW hat sich bewusst für das klassische Cruiser-Layout entschieden: lang, tief und mit einer traditionellen Telegabel. Wer sich für die authentische Optik und das unvergleichliche Drehmoment des Big Boxers entscheidet, opfert zwangsläufig die Agilität und Schräglagenfreiheit, die man von anderen BMW-Tourern wie der K 1600 GTL kennt. Die Trittbretter setzen in engagiert gefahrenen Kurven früh auf und limitieren die sportlichen Ambitionen. Die Transcontinental ist kein Kurvenräuber, sie ist ein Gleiter. Dieser Kompromiss ist fundamental für das Verständnis des Fahrzeugkonzepts.

Die Konkurrenz aus den USA: BMW vs. Harley-Davidson & Indian

Der Kampf findet auf höchstem Niveau statt. Die BMW muss sich gegen die Ikonen des Genres beweisen.

Modell
Motor
Drehmoment
Gewicht
Stärken
Schwächen
BMW R 18 Transcont.
2-Zylinder-Boxer
158 Nm
427 kg
Hightech-Infotainment, Motor-Charakter, ACC
Extrem hohes Gewicht, Schräglagenfreiheit
Harley-Davidson Ultra Ltd.
2-Zylinder V-Twin
164 Nm
416 kg
Marken-Mythos, Sound, riesiges Händlernetz
Weniger Hightech, traditionelleres Fahrgefühl
Indian Roadmaster
2-Zylinder V-Twin
171 Nm
412 kg
Bulliges Drehmoment, Top-Ausstattung, Komfort
Hoher Preis, Infotainment nicht ganz auf BMW-Niveau

Die BMW punktet mit ihrem einzigartigen Motorkonzept und der modernsten Elektronik. Harley-Davidson und Indian kontern mit dem unnachahmlichen V-Twin-Charakter, jahrzehntelanger Erfahrung im Segment und einem tief verankerten Markenimage.

Fazit: Für wen ist die R 18 Transcontinental gebaut?

Die BMW R 18 Transcontinental ist kein Motorrad für jedermann. Sie ist ein hoch spezialisiertes Luxusgut für den erfahrenen Tourenfahrer, der ein Statement abgeben möchte. Sie ist für den Individualisten, der den Charakter eines archaischen Motors liebt, aber nicht auf modernste Technologie und deutsche Verarbeitungsqualität verzichten will.

Wer ein leichtes, agiles Motorrad sucht, ist hier falsch. Wer jedoch einen unglaublich souveränen, komfortablen und technologisch faszinierenden Partner für die ganz große Reise sucht und bereit ist, das enorme Gewicht zu respektieren und zu beherrschen, findet in der Transcontinental einen der beeindruckendsten Tourer auf dem Markt. Sie ist kein amerikanisches Motorrad, das in Deutschland gebaut wurde – sie ist eine durch und durch deutsche Interpretation des Themas „Grand American Touring“. Und diese Interpretation ist auf ihre ganz eigene, faszinierende Weise absolut gelungen.

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