BMW F 900 R (2025) im Test: Die Vernunft-Rakete aus Berlin?

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Geschrieben von Mathias Kalb

Zurzeit besitze ich zwei Motorräder: einen Honda ADV-Roller für den Alltag und eine Kawasaki Ninja 1000 zum Beschleunigen am Wochenende.

Im hart umkämpften Segment der Mittelklasse-Roadster positioniert BMW die F 900 R als pragmatische Fahrmaschine „Made in Germany“. Sie soll kein schreiender Rabauke und keine abgehobene Design-Ikone sein, sondern ein technologisch fortschrittlicher, zugänglicher und fahraktiver Partner für den Alltag und die ambitionierte Feierabendrunde. Doch kann dieser Spagat gelingen, oder ist die F 900 R am Ende nur ein Kompromiss ohne echten Charakter?

Der Antrieb: Welche Persönlichkeit hat der Reihen-Zweizylinder?

Das Herzstück der F 900 R ist der 895-Kubik-Reihenzweizylinder, eine Weiterentwicklung des Motors aus der F 850 GS. Mit 105 PS bei 8.500 U/min und 92 Nm Drehmoment bei 6.500 U/min liefert er souveräne Leistungsdaten. Der wahre Charakter des Motors offenbart sich jedoch nicht in der Spitzenleistung, sondern im druckvollen Antritt aus dem Drehzahlkeller und der fülligen Mitte. Dank des Hubzapfenversatzes von 90 Grad und einer speziellen Zündfolge klingt und fühlt er sich ähnlich an wie ein V2-Motor – kernig, präsent und mit leichten, charakterfördernden Vibrationen. Er ist kein hochdrehender Schreihals, sondern ein bulliger Arbeiter, der müheloses Überholen auf der Landstraße und entspanntes Mitschwimmen im Stadtverkehr gleichermaßen beherrscht.

Tipp von Mathias Kalb: Investieren Sie unbedingt in den optionalen Schaltassistent Pro. Er funktioniert in beide Richtungen exzellent und verändert den Charakter des Motorrads fundamental. Das kupplungslose Hoch- und Runterschalten unterstreicht nicht nur den sportlichen Anspruch, sondern erhöht auch den Komfort im Alltag erheblich.

Technische Daten der BMW F 900 R (2025)

Merkmal
Daten
Motor
Flüssigkeitsgekühlter 2-Zylinder-Reihenmotor, DOHC
Hubraum
895 cm³
Leistung
77 kW (105 PS) bei 8.500 U/min
Drehmoment
92 Nm bei 6.500 U/min
Sitzhöhe
815 mm (optional 770 mm – 865 mm)
Gewicht (fahrfertig)
211 kg
Tankinhalt
13 Liter
Fahrwerk vorne
43 mm Upside-Down-Gabel, nicht einstellbar
Fahrwerk hinten
Zentralfederbein, Vorspannung/Zugstufe einstellbar (Optional: Dynamic ESA)
Bremsen vorne
Zwei 320-mm-Bremsscheiben, Brembo 4-Kolben-Radialsättel, ABS
Preis (Deutschland)
ab 9.400 € (Stand 2025)

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Fahrwerk und Agilität: Wie schlägt sich die R ohne das optionale Dynamic ESA?

Die F 900 R ist ein Paradebeispiel für neutrales, zugängliches Handling. Trotz ihrer 211 kg fahrfertig lenkt sie leichtfüßig ein und bleibt in Kurven sehr stabil. Die Ergonomie ist „Roadster-typisch“ – leicht vorderradorientiert, aber dennoch entspannt genug für längere Etappen. Die serienmäßigen Federelemente sind ein solider Kompromiss für den Normalbetrieb. Die Gabel spricht ordentlich an und das Federbein bietet ausreichend Reserven. Auf wirklich schlechten Straßen oder bei sehr sportlicher Fahrweise kommt das Standardfahrwerk jedoch an seine Grenzen und kann Unruhen nicht mehr so souverän ausfiltern.

Der Ingenieur-Kompromiss: Der Preis der Modularität

BMW verfolgt eine klare Strategie der Individualisierung, was Segen und Fluch zugleich ist. Wer sich für den attraktiven Basispreis der F 900 R entscheidet, erhält ein gutes, aber nicht herausragendes Fahrwerk. Der wahre technologische Fortschritt liegt im optionalen, semi-aktiven Federbein „Dynamic ESA“. Dieses System passt die Dämpfung des Federbeins in Millisekunden an den Fahrzustand und die Fahrmanöver an. Es ist der entscheidende Faktor, der die F 900 R von einem „guten“ zu einem „exzellenten“ Fahrwerk verwandelt. Der Kompromiss für den Käufer ist also: Entweder ein niedrigerer Einstiegspreis mit solider Standard-Technik oder ein höherer Endpreis für ein Fahrerlebnis, das in dieser Klasse Maßstäbe setzt.

Elektronik und Ausstattung: Was macht das BMW-Paket einzigartig?

Hier glänzt die F 900 R. Das serienmäßige 6,5-Zoll-TFT-Farbdisplay mit seiner exzellenten Konnektivität und der intuitiven Bedienung per Multi-Controller am Lenker ist nach wie vor der Goldstandard in dieser Klasse. Es bietet weit mehr als nur die Anzeige von Geschwindigkeit und Drehzahl – es ist eine vollwertige Informationszentrale. Serienmäßig sind die Fahrmodi „Rain“ und „Road“ sowie eine Stabilitätskontrolle (ASC) an Bord.

Der „Preis eines Fehlers“: Der Verzicht auf die „Fahrmodi Pro“

Ein häufiger Fehler beim Kauf ist der Verzicht auf das optionale Paket „Fahrmodi Pro“, um wenige hundert Euro zu sparen. Die „Kosten“ dieses Fehlers sind signifikant.

  • Problem: Ein Käufer bestellt die F 900 R ohne die Pro-Modi.
  • Lösung: Investition von ca. 400 € in das optionale Paket.
  • Ergebnis (bei Nichtbeachtung): Der Fahrer verzichtet nicht nur auf die zusätzlichen Fahrmodi „Dynamic“ und „Dynamic Pro“, sondern vor allem auf die schräglagenoptimierten Assistenzsysteme: die dynamische Traktionskontrolle (DTC), das Kurven-ABS Pro und die Motorschleppmomentregelung (MSR). Er kauft quasi ein technologisch hochgerüstetes Motorrad, schaltet aber dessen intelligentestes Potenzial nicht frei. Der „Preis“ ist ein messbar geringeres Sicherheitsniveau in Extremsituationen und ein geringerer Wiederverkaufswert, da Gebrauchtkäufer gezielt nach vollausgestatteten Modellen suchen.

Die Konkurrenz im Visier: Wie positioniert sich die F 900 R?

Die BMW trifft auf etablierte und extrem starke Konkurrenten. Ihr Hauptvorteil ist das einzigartige Technologie-Angebot in Kombination mit einem zugänglichen Fahrverhalten.

Modell
Motor
Leistung
Gewicht
Stärken
Schwächen
BMW F 900 R
2-Zylinder-Reihe
105 PS
211 kg
Top-Elektronik (optional), starker Antritt
Relativ hohes Gewicht, Basis-Fahrwerk
KTM 890 Duke R
2-Zylinder-Reihe
121 PS
188 kg
Extrem leicht, ultra-agil, Top-Fahrwerk
Kompromissloser, weniger Alltags-Komfort
Triumph Street Triple R
3-Zylinder-Reihe
120 PS
189 kg
Charakterstarker Motor, tolles Fahrwerk
Weniger Technologie-Features als BMW

Die KTM 890 Duke R ist das „Super-Skalpell“ – leichter, stärker, radikaler. Die Street Triple R begeistert mit ihrem fantastischen Dreizylinder und einer perfekten Balance aus Sport und Straße. Die BMW F 900 R ist der Technokrat der Gruppe. Sie ist nicht die leichteste oder stärkste, aber mit Vollausstattung bietet sie das intelligenteste und anpassungsfähigste Gesamtpaket.

Fazit: Für wen ist die BMW F 900 R die richtige Wahl?

Die BMW F 900 R ist das Motorrad für den rationalen Genießer. Sie ist die perfekte Wahl für Fahrer, die ein modernes, sicheres und unkompliziertes Motorrad für den täglichen Weg zur Arbeit und die dynamische Tour am Wochenende suchen, ohne dabei auf technologische Innovationen verzichten zu wollen.

Wer das leichteste und aggressivste Bike sucht, wird bei KTM fündig. Wer den emotionalsten Motor will, landet bei Triumph. Wer aber ein extrem gut funktionierendes, hochwertig verarbeitetes und vielseitiges Gesamtpaket mit dem besten Infotainment-System auf dem Markt schätzt, für den ist die BMW F 900 R eine der intelligentesten Entscheidungen in der aktuellen Mittelklasse. Sie ist keine schrille Diva, sondern eine souveräne Partnerin – eine echte Vernunft-Rakete.

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