Nach dem phänomenalen Erfolg der Z900RS war es nur eine Frage der Zeit, bis Kawasaki das Erfolgsrezept auf eine kleinere, zugänglichere Plattform überträgt. Das Ergebnis ist die Z650RS: die zeitlose Ästhetik der 70er Jahre, kombiniert mit der unkomplizierten und bewährten Technik der 650er-Mittelklasse. Sie zielt direkt auf das Herz von Einsteigern, Wiedereinsteigern und all jenen, die ein stilvolles, aber nicht einschüchterndes Motorrad suchen. Doch ist sie nur eine hübsche Hülle oder ein wirklich überzeugendes Gesamtpaket?
Das Herzstück: Der unkomplizierte Parallel-Twin
Der 649-Kubik-Parallel-Twin ist ein alter Bekannter aus unzähligen Kawasaki-Modellen und bekannt für seine Zuverlässigkeit und seinen lebendigen Charakter. Mit 68 PS (offen) und 64 Nm Drehmoment ist er perfekt für die A2-Klasse (drosselbar) dimensioniert. Der Motor ist ein Musterbeispiel an Zugänglichkeit: Er liefert seine Kraft sehr linear, ist drehfreudig und hat eine angenehme Portion Druck im mittleren Drehzahlbereich. Er überfordert niemals, sorgt aber für spritzigen Vortrieb und jede Menge Fahrspaß. Im Gegensatz zum Vierzylinder der großen Schwester ist der Twin rauer und mechanischer im Klang, was ihm einen ganz eigenen, sympathischen Charakter verleiht.

Tipp von Mathias Kalb: Dank der serienmäßigen Anti-Hopping-Kupplung ist die Bedienung extrem leichtgängig. Nutzen Sie dies, um aktiv und oft zu schalten. Der Motor liebt es, im mittleren Drehzahlbereich gehalten zu werden und belohnt eine aktive Fahrweise mit der besten Performance.
Technische Daten der Kawasaki Z650RS (2025)
Merkmal | Daten |
Motor | Flüssigkeitsgekühlter 2-Zylinder-Reihenmotor, DOHC |
Hubraum | 649 cm³ |
Leistung | 50,2 kW (68 PS) bei 8.000 U/min (35 kW / 48 PS für A2) |
Drehmoment | 64 Nm bei 6.700 U/min |
Sitzhöhe | 820 mm (optional 800 mm) |
Gewicht (fahrfertig) | 187 kg |
Tankinhalt | 12 Liter |
Preis (Deutschland) | ab 8.345 € (Stand 2025) |
Fahrverhalten und Handling: Die Leichtigkeit des Seins
Hier glänzt die Z650RS. Mit einem extrem niedrigen Gewicht von nur 187 kg fahrfertig ist sie ein wahres Leichtgewicht. In Kombination mit dem schlanken Gitterrohrrahmen und der entspannten, aufrechten Sitzposition ergibt sich ein unglaublich spielerisches und narrensicheres Handling. Das Motorrad lässt sich fast wie ein Fahrrad dirigieren, was besonders im Stadtverkehr und für weniger erfahrene Piloten ein riesiger Vorteil ist. Das Fahrwerk ist einfach, aber kompetent und auf einen guten Kompromiss aus Komfort und Stabilität ausgelegt. Für den Alltags- und Landstraßenbetrieb ist es absolut ausreichend.
Der Ingenieur-Kompromiss: Purismus vs. Einstellbarkeit
Um den sehr attraktiven Preis zu realisieren, wurde bei der Z650RS bewusst auf komplexe und teure Komponenten verzichtet. Wer sich für die Z650RS entscheidet, erhält ein pures, unverfälschtes Fahrerlebnis. Im Gegenzug opfert man Einstellmöglichkeiten am Fahrwerk (nur die Federvorspannung hinten ist justierbar) und moderne Elektronik-Features (über ABS hinaus gibt es keine Fahrhilfen). Der Kompromiss ist also klar: Man tauscht technologische Raffinesse gegen mechanische Einfachheit und einen unschlagbaren Preis.

Design und Qualität: Liebe auf den ersten Blick?
Absolut. Die Z650RS sieht fantastisch aus und zitiert ihr großes Vorbild, die Z900RS, in Perfektion. Der Tropfentank, die analogen „Tacho-Becher“ mit dem zentralen LC-Display, der „Entenbürzel“ am Heck und die wunderschönen, goldenen Gussräder im Speichen-Design schaffen einen stimmigen und hochwertigen Gesamteindruck. Die Verarbeitungsqualität ist Kawasaki-typisch hoch und lässt nicht erahnen, dass es sich hier um ein preisgünstiges Einsteiger-Motorrad handelt.
Der „Preis eines Fehlers“: Vernachlässigung der Kettenpflege
Gerade bei einem so zugänglichen Motorrad, das oft von Einsteigern gefahren wird, ist die Kettenpflege ein kritisches Thema.
- Problem: Die Kette wird selten oder gar nicht geschmiert.
- Lösung: 5 Minuten alle 500-700 km für Reinigung und Schmierung.
- Ergebnis (bei Nichtbeachtung): Eine trockene Kette verschleißt nicht nur selbst extrem schnell, sie beschädigt auch die teuren Ritzel und das Kettenrad. Ein kompletter Kettensatz-Wechsel kann schnell 200-250 € kosten. Bei guter Pflege hält ein Kettensatz über 20.000 km, bei schlechter Pflege ist er oft schon nach 10.000-12.000 km am Ende. Die „Kosten“ sind also eine direkte Verdopplung der Wartungskosten für den Antriebsstrang.
Der Vergleich im A2-Retro-Segment: Kawasaki vs. Yamaha vs. Triumph
Die Z650RS trifft auf zwei extrem starke Konkurrenten.
Modell | Motor | Charakter | Stärken | Schwächen |
Kawasaki Z650RS | 2-Zylinder-Reihe | Der zugängliche Charmeur | Wunderschönes Design, extrem leicht, unkompliziert | Einfaches Fahrwerk, keine Elektronik |
Yamaha XSR700 | 2-Zylinder-Reihe | Der agile Rebell | Emotionaler CP2-Motor, agiles Handling, Preis | Polarisierendes Design, einfachere Verarbeitung |
Triumph Trident 660 | 3-Zylinder-Reihe | Der moderne Gentleman | Einziger Dreizylinder, Top-Elektronik, Qualität | Höherer Preis, weniger „Retro“-Look |
Die Yamaha XSR700 ist die Wahl für Fahrer, die den druckvollsten und emotionalsten Motor in dieser Klasse suchen. Die Triumph Trident 660 ist das technologisch fortschrittlichste Motorrad mit dem einzigartigen Dreizylinder-Charakter. Die Kawasaki Z650RS ist das stilistisch authentischste und am leichtesten zu fahrende Motorrad des Trios.
Fazit: Für wen ist die Z650RS die perfekte Wahl?
Die Kawasaki Z650RS ist das perfekte Motorrad für den stilbewussten Einsteiger, den urbanen Pendler und den entspannten Genießer. Sie ist die ideale Wahl für alle, die ein wunderschönes, leichtes und absolut unkompliziertes Motorrad suchen, das vom ersten Tag an Vertrauen schafft und einfach nur Freude bereitet.
Sie hat nicht den stärksten Motor oder das beste Fahrwerk, aber sie hat vielleicht das stimmigste und charmanteste Gesamtpaket. Sie ist der Beweis, dass Fahrspaß nichts mit maximaler Leistung zu tun hat, sondern mit Balance, Leichtigkeit und einer großen Portion Stil. Sie ist die Essenz dessen, was ein unbeschwertes Retro-Bike sein sollte.
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