Triumph Scrambler 900 (2025) im Test: Der Stil-Meister für jeden Tag?

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Geschrieben von Mathias Kalb

Zurzeit besitze ich zwei Motorräder: einen Honda ADV-Roller für den Alltag und eine Kawasaki Ninja 1000 zum Beschleunigen am Wochenende.

Während ihre große Schwester, die Scrambler 1200, mit extremer Offroad-Kompetenz protzt, verfolgt die Triumph Scrambler 900 eine andere, vielleicht cleverere Philosophie. Sie ist kein Hardcore-Abenteurer, sondern ein unkomplizierter, stilvoller und extrem zugänglicher Begleiter für jeden Tag. Sie verkörpert den puren, unverfälschten Geist der ursprünglichen Scrambler-Bewegung der 60er Jahre: ein Straßenmotorrad, das robust genug ist, um auch mal einen Feldweg unter die Räder zu nehmen. Kann dieser Fokus auf Stil und Zugänglichkeit in der Praxis überzeugen?

Das Herzstück: Der Charakter des 900er Bonneville-Twins

Im Herzen der Scrambler 900 schlägt der bewährte 900-Kubik-Parallel-Twin mit einer 270-Grad-Kurbelwelle. Mit 65 PS ist er kein Leistungsgigant, aber seine wahre Stärke sind die bulligen 80 Nm Drehmoment, die bereits bei extrem niedrigen 3.250 U/min anliegen. Das Ergebnis ist ein wunderbar entspannter und souveräner Motorcharakter. Er schiebt vom ersten Meter an kräftig und berechenbar an, ohne jemals nervös oder fordernd zu wirken. Dieser Motor ist perfekt für das entspannte Cruisen durch die Stadt und die souveräne Fahrt über Landstraßen. Er ist der Inbegriff eines unkomplizierten, charakterstarken Antriebs und zudem A2-tauglich drosselbar.

Tipp von Mathias Kalb: Die Sitzbank der Scrambler 900 ist einteilig und relativ flach, was eine große Bewegungsfreiheit ermöglicht. Nutzen Sie dies! Verlagern Sie Ihr Gewicht in Kurven aktiv nach vorne und innen, um das Vorderrad zu belasten. Das verbessert die Präzision und Stabilität spürbar.

Technische Daten der Triumph Scrambler 900 (2025)

Merkmal
Daten
Motor
Flüssigkeitsgekühlter 2-Zylinder-Reihenmotor, 270° Kurbelwelle
Hubraum
900 cm³
Leistung
47,8 kW (65 PS) bei 7.250 U/min
Drehmoment
80 Nm bei 3.250 U/min
Sitzhöhe
790 mm
Gewicht (fahrfertig)
223 kg
Tankinhalt
12 Liter
Fahrwerk vorne
41 mm Cartridge-Gabel
Fahrwerk hinten
Zwei Stereo-Federbeine mit einstellbarer Vorspannung
Preis (Deutschland)
ab 11.445 € (Stand 2025)

Fahrverhalten und Komfort: Der unkomplizierte Freund

Die Scrambler 900 ist ein Musterbeispiel für einfaches und intuitives Handling. Die relativ niedrige Sitzhöhe von 790 mm, der breite Lenker und die entspannte Ergonomie vermitteln sofort ein Gefühl von Kontrolle und Sicherheit. Das Motorrad lenkt gutmütig ein und bleibt in Kurven stabil. Das Fahrwerk ist einfach, aber kompetent und auf einen guten Kompromiss aus Komfort und Stabilität ausgelegt. Es ist robust genug, um Schotterwege und Kopfsteinpflaster problemlos zu meistern, ohne auf der Straße schwammig zu wirken. Sie ist kein Präzisionsinstrument, aber ein extrem ehrlicher und vertrauenerweckender Partner.

Der Ingenieur-Kompromiss: Stil vs. Funktion

Das ikonischste Merkmal eines Scramblers ist der hochgelegte Auspuff. Wer sich für diesen authentischen, fantastisch aussehenden Stil entscheidet, muss zwei Kompromisse eingehen. Erstens: Die Abwärme am rechten Bein ist bei langsamer Fahrt deutlich spürbar. Zweitens: Die hochgelegte Anlage verhindert die einfache Montage von klassischen Seitenkoffern, was die Tourentauglichkeit etwas einschränkt. Der Kompromiss ist klar: Man opfert ein Stück weit praktische Funktionalität für ein Höchstmaß an stilistischer Authentizität.

Design und Qualität: Gebaut für die Ewigkeit?

Die Verarbeitungsqualität ist, wie bei Triumph üblich, exzellent. Die Liebe zum Detail ist überall sichtbar: von den gebürsteten Aluminium-Elementen über die hochwertige Lackierung bis hin zu den sauber verlegten Kabeln. Das Design ist puristisch und auf das Wesentliche reduziert. Sie ist ein wunderschönes Motorrad, das Stil und Robustheit perfekt miteinander verbindet.

Der „Preis eines Fehlers“: Falsche Bereifung für den Einsatzzweck

Die Scrambler 900 wird serienmäßig mit leicht profilierten Allround-Reifen (Metzeler Tourance) ausgeliefert, die ein exzellenter Kompromiss sind.

  • Problem: Ein Fahrer, der ausschließlich in der Stadt und auf Asphalt fährt, ersetzt die Reifen durch grobstollige Offroad-Pneus, weil es „cooler“ aussieht.
  • Lösung: Auswahl eines Reifens, der zum tatsächlichen Fahrprofil passt (z.B. ein reiner Straßenreifen für Straßenfahrer).
  • Ergebnis (bei Nichtbeachtung): Der grobstollige Reifen führt auf Asphalt zu einem lauten Abrollgeräusch, einem instabilen, kippeligen Fahrverhalten und einem deutlich längeren Bremsweg, insbesondere bei Nässe. Die „Kosten“ sind hier nicht nur ein schnellerer Verschleiß, sondern ein massiver Verlust an Sicherheit und Fahrkomfort im täglichen Gebrauch. Man bezahlt für eine martialische Optik mit den wichtigsten dynamischen Eigenschaften des Motorrads.

Der Vergleich im Scrambler-Segment

Die Scrambler 900 hat starke Konkurrenz, die oft andere Schwerpunkte setzt.

Modell
Motor
Charakter
Stärken
Schwächen
Triumph Scrambler 900
2-Zylinder-Reihe
Der authentische Allrounder
Drehmomentstarker Motor, Stil, Qualität, Zugänglichkeit
Einfaches Fahrwerk, hohes Gewicht
Ducati Scrambler Icon
L-Twin
Der quirlige Italiener
Geringes Gewicht, agiles Handling, modernes Design
Weniger Drehmoment unten, weniger „klassisch“
Fantic Caballero 500
1-Zylinder
Der pure Offroader
Geringes Gewicht, echtes Offroad-Fahrwerk, günstig
Rauher Motor, weniger Langstreckenkomfort

Die Ducati ist die modernere, leichtere und verspieltere Wahl. Die Fantic ist ein echtes Offroad-Spielzeug mit Straßenzulassung. Die Triumph Scrambler 900 ist die erwachsenste, hochwertigste und vom Motor her souveränste Interpretation des klassischen Scrambler-Themas.

Fazit: Für wen ist die Triumph Scrambler 900 die richtige Wahl?

Die Triumph Scrambler 900 ist das perfekte Motorrad für den stilbewussten Individualisten, der ein unkompliziertes, charakterstarkes und wunderschönes Bike für den Alltag und die entspannte Wochenendtour sucht. Sie ist eine exzellente Wahl für A2-Einsteiger und Wiedereinsteiger, die Wert auf eine niedrige Sitzhöhe und ein vertrauenerweckendes Fahrverhalten legen.

Sie ist keine Rennmaschine und keine Hard-Enduro. Sie will nichts beweisen. Sie ist einfach nur ein ehrliches, gut gemachtes Motorrad, das jeden Tag aufs Neue ein Lächeln ins Gesicht zaubert. In ihrer charmanten Einfachheit liegt ihre größte Stärke. Sie ist der Meister des coolen Understatements.

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